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Mit der TRICA durch den NOK

Mit der TRICA durch den Nord-Ostsee-Kanal
- Ein Bericht von Olaf Francke und Michael Teshmar -

Es gibt gutes und sehr gutes Essen. Es gibt hübsche und sehr hübsche Frauen. Und es gibt schöne und sehr geile Schiffe. Die TRICA ist solch ein sehr geiles Schiff. Am 29.04.2012 bin ich mit der Trica durch den Nord-Ostsee-Kanal (kurz: "NOK"; int.: "Kiel Canal") gefahren und berichte hier über meine Erlebnisse während der Fahrt.

Teil 1: DAS SCHIFF

Eigentümer der mv TRICA ist die Spliethoff Gruppe, für deren Tochterunternehmen TRANSFENNICA (mit Sitz in Amsterdam) die TRICA und ihre 5 Schwesternschiffe laufen. Die Schiffe wurden in den Spezifikationen auch auf die Passage des Nord-Ostsee-Kanals zugeschnitten und in der Stettiner Werft gebaut. 2006 wurden Kraftca und Timca gebaut, 2007 die Genca und die Trica, 2008 die Pulpca und 2009 die Plyca.

Schiffsdaten der Spliethoff ConRo Klasse:

Eisklasse: 100 A1 (1A Super)

Länge ü.A.: 205,00m

Breite a.S.: 25,50m

Tiefgang max.: 8,54m

Tiefgang reg.: 7,20m

BRZ: 28.300

Bruttolast: 17.700

Lademeter: 2.950

Deckfläche brutto: 8.564 m2

Container Plätze: 643 (20'); 303 (40');

Kühlanschlüsse: 116

max. Gew. Trailer 15-33t /Achse

max. Gew. Container 93t /box

Hauptmaschine: 2x 12.600 kw 12V46

Seitenstrahlruder: 2x 1.250 kw

Fassungsvermögen Tanks: 1.850 m³ Treibstoff

475 m³ Schiffsdiesel

7.100 m³ Ballast

Geschwindigkeit max.: 22,7 kn

IMO / MMSI (Trica): 9307384 / 244912000

Rufzeichen: PHLV

Die Spliethoff ConRo Schiffe verfügen zusätzlich über 6 Doppelkabinen (Stockbett) für insges. 12 Passagiere, angeboten werden Reisen z. B. Zeebrügge/Bilbao schon ab ca. 400,- € pro Person. Reisedauer 3 Tage (einf.) oder 6 Tage (hin&rück). Die Kabinen verfügen über Aircondition, Dusche, WC, TV/DVD, bequeme Sitzmöbel, freie Sicht; außerdem gibt es eine Sauna, Fitnessraum, Messe. Bordwährung ist Euro, 22oV Anschlüsse sind überall vorhanden. Fahrzeugmitnahme möglich (PKW, Bike, WoMo & WoWa b. 12m ab 260,- €). Der Umgangston an Bord (engl.) ist sehr freundlich, der Service sehr gut. Die Firma Kapitän Zylmann GmbH bietet diese Reisen an.

Teil 2: KLEIDER MACHEN LEUTE

Alles begann damit, dass ich einmal mehr eine dieser spleenigen Ideen hatte. So oft schon hatte ich die Schiffe im NOK fotografiert (ich habe derzeit über 20.000 Bilder online), aber eigentlich noch nie den NOK vom Schiff aus. Als wieder einmal einer der "weißen Riesen" von Transfennica durch den großen Graben in Schleswig-Holstein pflügte, faßte ich den Entschluß. Das wird gemacht!

Wie das bei mir so ist. Gesagt, getan, rief ich bei der Reederei an und nach einigen sehr netten Telefonaten hatten wir den 29.04. als Termin für eine NOK Passage festgemacht, um eine hübsche Reportage über eines der ConRo Schiffe von Transfennica zu machen. Der für die Trica bzw. Nordsee zuständige Mitarbeiter in Helsinki hat meinen Redakteur und mich flink und unbürokratisch auf dem Schiff angemeldet, und so brachen wir am Sonntag früh nach Brunsbüttel auf, um dort mit dem Lotsenversetzboot auf die Trica zu kommen.

Der Kollege Teshmar war sehr schneidig angezogen, mit schicker Hose, Hemd und guten Schuhen, während ich (wie immer) unterwegs mit Tarnfleck-Dress, Sicherheitsschuhen und wetterfester Warnweste nebst Matrosenmütze und prall befülltem Ausrüstungsrucksack, behängt mit Kamera, aufmarschierte. Zweckgekleidet, wie ich war, erregte ich zunächst einen gewissen Unmut seitens meines Mitstreiters, der meinte, ich sei vielleicht etwas zu leger gekleidet, was mich kurz in Erstaunen versetzte, im Angesicht der Vorstellung, wie ich betucht mit feinstem, dünnen Stoff in 30 Metern Höhe bei vier bis fünf Windstärken auf der Nock rumturne oder in den ehernen Gekrösen des Schiffes umherkrabbele auf der Jagd nach guten Bildern. Nach kurzer, disputierlicher Erörterung blieb ich bei meiner Entscheidung zur Arbeitskleidung. Ich hielt diese Sache damit für erledigt. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte.

Gegen zehn Uhr morgens kamen wir in Brunsbüttel an der Mole eins an, wo das Lotsenhaus steht. Nach kurzer Orientierung begaben wir uns zur Lotsenwache der Kanallotsen im ersten Stock, wo ich mich noch nicht mal ganz vorgestellt hatte, als mir der Operator schon eine Gardinenpredigt á la "Mutti sagt" halten wollte.

"Zieh Dich mal an-stän-dich an. Wie du rumläufst, da würd ich als Lotse dich nicht mit raus aufs Schiff nehmen!"

Nachdem ich ihm auch einen guten Tag gewünscht hatte, klärte ich ihn höflich, aber bestimmt darüber auf, dass es keine Butterfahrt auf der MS Europa wäre, die ich anstrebte, sondern ein Arbeitsaufenthalt auf einem Frachtschiff. Er zeigte sich leider diesbezüglich völlig aufklärungsresistent und meinte: "Du trittst da dem Käpt'n gegenüber, Mann. Der steht da mit seinen vier Streifen und Du? Guck mal Deinen Kumpel an, der sieht ordentlich aus. Zieh Dich mal um!"

Ich bot ihm an, dass ich statt des Wüstentarnfleck auch BW Tarnfleck oder wahlweise Russentarnfleck aus meinem Kleiderschrank wählen könnte und versicherte ihm, dass ich beim nächsten Mal sicherlich eine feine Garderobe zur Anwendung bringen würde. Wie auch immer, ich bedeutete ihm, dass wir auf dem Schiff erwartet würden, und dass ich es als überaus freundlich empfände, wenn wir mit dem Lotsenboot dorthin übersetzen könnten, ungeachtet der möglicherweise maßgeblichen Kleiderordnung.

Nunja, um das Ende der Kleiderdebatte hier kurz vorweg zu nehmen, an Bord der Trica war mein Kollege im feinen Zwirn der einzige, der so bekleidet war. Der Kapitän hatte seine vier Streifen wohl gerade gegen Jeans und Pulli getauscht, die Ruderwache trug Jeans und Sweater, und weder diensthabende Lotsen noch Kanalsteuerer störten sich an meiner Kleidung (gepierced, der Steuermann. Ist das angemessen? Egal.). Wie auch immer, während der fast 8 Stunden, die ich draußen auf dem Brückendeck und auf der Nock verbrachte, um zu fotografieren, habe nicht in einer Minute bereut, mich derart bequem und vor allem dick angezogen zu haben.

Mein Kollege Teshmar wurde allerdings von der UCA Agentin, die in der Schleuse an Bord kam, ob seines Bekleidungsstils irrtümlich für den Kapitän gehalten, weil er fein bezwirnt am Kommunikationstisch saß. Tja, Kleider machen Leute... Übrigens: der richtige Kapitän, Arier van Walraven, nahm es souverän und gelassen mit einem äußerst entspannten Grinsen.

Nachdem nun alle Klarheiten beseitigt waren und der Operator sich wieder eingekriegt hatte, konnte es endlich losgehen. Unser Ablaufplan sah vor, auf der Elbe an Bord zu gehen und in Holtenau wieder auszusteigen. Der Kollege Teshmar wollte ein Protokoll in der Art einer Timeline erstellen, während ich Kamera und Akkus heiß laufen lassen wollte. Eine dreiviertel Stunde nach der ersten Meldung der Trica (11:45h) ging es dann endlich los!

Teil 3: CRUISING ON THE KIEL CANAL

Um 12:30h ging es an Bord des Lotsenversetzbootes OSTERIFF, Baujahr 1959 mit einem 750 kw starken, hämmernden Diesel, der das Boot unerbittlich Richtung Elbefahrwasser trieb.

Nach einer relativ ruhigen Fahrt von etwa zehn Minuten erreichten wir das Fahrwasser, in dem sich uns die Trica näherte, die nun rasch an Größe in unserem Gesichtsfeld zunahm. Ein beeindruckendes, weißes Konstrukt aus Stahl, das sich da vor einem auftürmt, wenn man mal etwas dichter als 50 Meter rankommt... ;-)

Gegen 12:45h stiegen wir gemeinsam mit dem Elbe- Lotsen um auf die Trica, wobei uns die ersten Brecher gleich mal etwas frisch machten. Wir betraten das Schiff durch eine Backbordluke etwas über Wasserhöhe, üblich ist an sich, dass der Lotse an Steuerbord einsteigt. Dieser Lotse begleitete das Schiff auf der Elbe bis in die Schleuse, dort stieg dann der Kanallotse der Weststrecke mit den beiden Kanalsteurern zu, die das Schiff im Schichtwechsel bis nach Kiel steuerten. Unter dem Kommando von Kapitän van Walraven lief die Trica dann in die Südkammer der "neuen" Schleusen ein.

13:15h – Festmachen in der Schleusenkammer, der Kanallotse kam an Bord und übernahm mit den Kanalsteurern das Schiff. Zwar ist der Kapitän formell natürlich immer noch der Schiffsführer, doch werden die nautischen Aufgaben hier delegiert. Das Ganze passiert natürlich nicht umsonst. Die Kosten für eine Kanalpassage der Trica belaufen sich auf ca. € 7.253,- davon:

  • Lotsabgaben € 516,-

  • Lotsgelder € 2.840,-

  • Kanalsteuerer € 1.551,-

  • Befahrungsabgabe € 2.346,-

  • Quelle: kiel-canal.org

Info: Ein Wort muß noch gesagt werden zu den Schleusen. Zwar werden die beiden größeren Schleusenkammern (310x42x14m) gelegentlich als die "neuen" Schleusen bezeichnet, doch sind diese auch bereits einhundert Jahre alt, während die älteren, kleinen Schleusen (125x22x9,8m) noch aus der Bauzeit des Kaiser-Wilhelm-Kanals (1887-95) stammen. Die Jahrzehnte mit steigendem Betrieb sind an den grundsätzlich solide gebauten Schleusen nicht spurlos vorbei gegangen, und so mach ein Kapitän, der mit dem Gashebel etwas zu forsch umging, hat den Zerfall durch Metallberührungen beschleunigt. Fakt ist, dass die Schleusen, die immer häufiger wegen dringender Notreparaturen geschlossen werden müssen, unbedingt der Erneuerung bedürfen bzw. dass das Projekt des Baus einer Großschleuse unumgänglich ist. Wenn der Kiel Canal wettbewerbsfähig bleiben soll, müssen dringendst Bundesmittel für Instandsetzung und Ausbau fließen, sonst macht der Verkehr auf der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt nämlich das genaue Gegenteil, er kommt zum Erliegen. Die Schiffe, die den NOK passieren werden immer größer, immer mehr Schiffe der Verkehrsgruppe Sechs (VG 6; Länge bis 235m, Breite bis 32,5m, Tiefgang max. 9,5m) kommen durch den Kiel Canal und er ist als Wasserstraße für den europäischen und weltweiten Gütertransport absolut unverzichtbar und nicht wegzudenken.

Wußten Sie, dass die noch heute erhobene Schaumweinsteuer (136,- € /hl) 1902 eingeführt wurde, um u.a. den Ausbau und Unterhalt des für die kaiserliche Flotte kriegswichtigen Kaiser-Wilhelm-Kanals (seit 1948: NOK oder Kiel Canal) zu finanzieren?

Neben uns in der Nordkammer lagen die Bjorg und die Orateca. Um 13:45h öffnete sich das kanalseitige Schleusentor und die Trica schob sich majestätisch aus dem Wasserbecken in den Brunsbütteler Hafen hinein, wo bereits ein weiteres Transfennica Schiff, die Elisabeth Russ (VG 5) in der Hafenweiche auf uns wartete. Hinter dem Schiff der Stena Klasse gingen wir in die Weiche, um den Gegenverkehr durchzulassen, nämlich die Estraden (VG 5), Crystal Topas (VG 4), Faustina (VG 3), Thebe (VG 2), Paper Moon (VG 3), Trans Alrek (VG 3) und Patani (VG 5)

14:15h - "Grün" an der Hafengrenze, unser Pulk bestehend aus Orateca (VG 4), Elisabeth Russ (VG 5), Trica (VG 6) und Bjorg (Vg 4) setzte sich in Richtung Kiel in Bewegung, der Beginn der Reise durch den NOK.

14:15h – Wir passierten die Fähre Kudensee und 10 Minuten später die Weiche, um 15:00h ging es an der Fähre Burg vorbei, ohne dass uns nennenswerter Gegenverkehr behinderte. Mit guten 8 Knoten marschierte die Trica ruhig und zielstrebig gen Osten.

Info: Im Nord-Ostsee-Kanal beträgt die mittlere Reisegeschwindigkeit ca. 15 km/h (8kn), besonders tief liegende oder große Schiffe müssen als sog. „Langsamläufer“ ihr Tempo auf 12 km/h (6,5kn) drosseln, um die Uferböschung nicht durch auftretende Strömungen zu beschädigen. Die Passage der großen Schiffe (VG 5 und größer) verursacht durch die Verdrängung mächtige Wasserbewegungen, so „zieht“ das Schiff Wasser vom Ufer ab, das das hinter dem Schiff wieder auf die Böschung aufläuft. Die Absenkung des Wasserspiegels kann in Relation zur Schiffsgröße bis zu einen Meter betragen. Auf dem Bild unten sieht man recht gut, wie das Schiff in der Wasseroberfläche eine solche „Delle“ erzeugt. Eine Maßnahme, die zur Vermeidung von Strömungsschäden an Grund und Ufern des Kanals dienen soll, ist das Ausweichen der Schiffe. Auf bestimmten Strecken gibt es sogenannte „höchste Begegnungszahlen“ d.h., die Verkehrsgruppenzahlen der aneinander vorbeifahrenden Schiffe dürfen in der Summe z.B. 8 nicht überschreiten (5&3, 4&4, 6&2 o.ä. Bei 162m Kanalbreite). Begegnen sich nun voraussichtlich zwei Schiffe, deren VG-Zahlen zusammen über 8 liegen, so muß eines der Schiffe in einer sog. „Weiche“ halten, bis der Gegenverkehr passiert hat. Auf der Oststrecke des NOK, wo der Kanal sehr eng ist (teilw. u. 100m), kommt es nur zu wenigen Schiffsbegegnungen. Die 12 Weichen des NOK befinden sich in Brunsbüttel (3.348m), Kudensee (840m), Dückerswisch (1.230m), Fischerhütte (814m), Oldenbüttel (586m), Breiholz (1.115m), Schülp (1.506m), Audorf (5.656m), Königsförde (712m), Großnordsee (1.303m), Schwartenbeck (908m) und Holtenau (2.480m).

Die Verkehrslenkung wird in der Leitzentrale per Funk geregelt, und an den Weichen gibt es zusätzlich Lichtsignale, die Ein- und Ausfahrt an den Weichen regeln. Bei einem Schiffsaufkommen von über 30.000 Einheiten mit weit über 100 Millionen Tonnen Transportgut ist eine effiziente Verkehrslenkung unverzichtbar, und es ist den Mitarbeitern des Wasser- und Schiffahrtsamtes sowie den Lotsen und Kanalsteurern im NOK hoch anzurechnen, dass auf der Strecke nur äußerst selten schwere Unfälle zu verzeichnen sind.

15:15h – Eisenbahnhochbrücke und Fähre Hochdonn in Sicht!

Info: 1913-20 wurde die Marschbahnbrücke bei Hochdonn gebaut, sie ist 2.218m lang, wiegt ca. 14.725t und wurde als Ersatz für die alte Drehbrücke bei Kudensee errichtet. 2006 wurde der mittlere Schwebeträger über dem NOK ausgetauscht und bis 2008 wurde die Brücke saniert. Sie ist seit dem wieder voll lastfähig.

In der Weiche Dückerswisch hatte die Trica freie Fahrt, in der Weiche (Nordseite) warteten Josephine (VG 2) ,Ardesco (VG 3), Robijn (VG 3), Fehn Coral (VG 3), Capri (VG 4), Paivi (VG 3) und Vitali Kohzin (VG 3). Am Ende der Weiche zog es einen Kieler Segler ("Rosa B") immer wieder vor den Bug der Trica, die Dame des Herzens steuerte das Segelboot wieder und wieder dem 28.000er Frachter vor die Nase. Der Kanallotse war darüber verständlicherweise alles andere als erfreut, denn ein solch rücksichtsloses Verhalten stellt durchaus eine Gefährdung der Transportschifffahrt dar. Nicht, dass der Plastikpott dem Frachter irgendwelchen Schaden zufügen könnte, doch wenn dem leichtsinnigen Freizeitmatrosen die Maschine streikt, bekommt er ziemlich fix unangenehme Berührung mit dem Eisklasse-1-Bug, der ihn die eine reife Gurke zermalmen würde.Glücklicherweise ging alles gut, und der fröhlich winkende Skipper wird sich gewundert haben, dass an der Schleuse in Brunsbüttel einige uniformierte Leute auf ihn warteten, um sich kostenpflichtig nach seiner Befindlichkeit zu erkundigen.

Um 15:35h erreichten wir die Fähre Hohenhörn, fünf Minuten später die Hochbrücke Schafstedt. Hier wird in 42m Höhe die 89km lange Autobahn 23 (Hamburg/Heide) über den NOK geführt.

Info: Die beiden norddeutschen Autobahnen (A7 & A23)werden auf den in den Siebziger Jahren errichteten Brücken bei Rade (sog. "Europabrücke", 1.498m lang) und Schaftstedt (ca. 390m lang) über den Nord-Ostsee-Kanal geführt, täglich passieren hier tausende von Fahrzeugen den Kanal.

Gegen 15:35h passierten wir dann die Grünentaler Hochbrücke, wo wir von Freunden stürmisch begrüßt wurden. Hier an der Grünentaler Hochbrücke findet der geneigte Shipspotter beste Möglichkeiten, hervorragende Fotos zu schießen, denn diese Brücke ist bis Kiel hin die einzige, welche zu Fuß betreten werden darf. Sie ist auch Heimat des Kanalkiosk, wo es die wahrscheinlich schärfste Currywurst nördlich der Elbe gibt. Die alte Sichelbrücke (Baujahr 1893, 156m Länge) wurde im Zuge der Kanalverbreiterung 1986 durch die 405m lange aktuelle Strebenfachwerkbrücke abgelöst, in den Jahren 1984-1986 verliefen die beiden Brücken parallel zueinander, wie es zur Zeit auch in Levensau der Fall ist.

Um 16:15h passierten wir die Fähre und Weiche Fischerhütte, hier lagen die Nordstern (VG 1) und die Andrea (VG 3)vor Signal. Auf der Strecke zur nächsten Weiche und Fähre in Oldenbüttel (16:40h) trafen wir auf das Zollboot Brunsbüttel. Die Kanalstrecke war bis dahin weitgehend leer, so dass die Trica schnell vorankam. Gegen 17:00h passierten wir an der Einmündung der Haaler Au den Bereich Claustal, dort liegen direkt am Wasser einige touristisch sehr interessante und beliebte Feriendomizile. Die Familie Kühl begrüßte unser Schiff mit Fahnen und Jubel, was den Kapitän veranlasste, mit dem Signalhorn weit hörbar zu antworten. Es war immer wieder interessant zu sehen, mit welcher Freude und Begeisterung die Menschen am Kanal dem Schiffsverkehr vor der eigenen Haustüre begegnen. Nicht nur zahlreiche Schiffsfans und professionelle Shipspotter säumen häufig die Ufer auf der Jagd nach guten Bildern, auch Anwohner und Gäste, Besucher und die Beschäftigten in Kanalnähe zieht es immer wieder ans Ufer, um die "Dickschiffe" zu bestaunen und zu begrüßen.

Die Menschen, die hier leben und arbeiten, haben den Wert des Nord-Ostsee-Kanals für ihre Region erkannt, sie schätzen ihn als wirtschaftlichen Faktor und als touristisches Highlight. Neben den jährlich ca. 100 Kreuzfahrtschiffen sind es u.a. die Frachtriesen der Spliethoff-Gruppe, die von den Seh-Leuten und Schau-Lustigen bewundert werden. Jedes Jahr kommen mehr Interessierte an den Nord-Ostsee-Kanal, um Schiffe zu sehen, die man sonst nur aus Fernsehberichten oder großen Frachthäfen wie Hamburg oder Bremerhaven kennt. Auch passieren besonders zur Kieler Woche und zu den NATO Manöverzeiten viele Militärschiffe verschiedenster Nationalitäten häufig den Kanal, was weitere Akzente setzt. Auf unserer Tour konnten wir miterleben, dass es auch der Besatzung der Trica immer wieder Freude bereitete, dass trotz kalten Wetters und heftigen Windes viele Menschen am Kanal waren, um sich den "weißen Riesen" anzuschauen.

Um 17:00h fuhren wir in die Weiche Breiholz ein, dort "gingen wir vor Signal", wie es heißt, wenn ein Schiff quasi vor der "roten Ampel" stehen und warten muß. Der Steuermann war so freundlich, uns in der Pause zum Essen einzuladen, Zeit, die niederländischen Kombüsenkünste ausgiebig zu testen. Einige Decks unterhalb der Brücke befindet sich eine exzellent ausstaffierte Küche und eine hübsch eingerichtete Messe, und der äußerst zuvorkommende und freundliche Smutje kümmerte sich sogleich um uns. Der Tisch war mit frischen Brotsorten, Aufschnitt, Konfitüren, Käse u.v.m. gedeckt, und es wurden holländische Frikadellenwürstchen gereicht, die wir aufgeschnitten mit Dips und Zwiebeln gewürzt verzehrten. Sehr schmackhaft, dazu wurde frisch gebrühter Kaffee gereicht, und wir hatten Gelegenheit, uns mit dem einzigen Passagier der Reise zu unterhalten. Der nette Herr war auf dem Weg von Zeebrügge (Antwerpen) nach Paldiski (Estland) und berichtete, seine Reise hätte ihm bisher sehr viel Spaß gemacht und er sei äußerst zufrieden mit dem Leben an Bord der Trica. Es fiel dem Kollegen Teshmar und mir nicht schwer, das zu glauben, denn alle an Bord waren unglaublich freundlich und zuvorkommend, ohne irgendwie aufdringlich zu wirken.

In der Weiche Breiholz überholte uns Walter Hammann (VG 2), und die Svedica Hav (VG 3), Islandica Hav (VG 3) und Anke Ehler (VG 4) kamen uns entgegen. Gegen 17:35h verließen wir die Weiche dann mit Kurs auf das nächste Etappenziel, Rüsterbergen. Dort fand der Lotsenwechsel statt.

17:00h – Ankunft an der Lotsenstation Rüsterbergen. Hier kam der Kanallotse für die Oststrecke an Bord. Die Lotsenversetzboote Breiholz, Nübbel und Schülp bringen hier Tag und Nacht den Lotsen zum Schiff und holen den Lotsen der Weststrecke ab (bzw. umgekehrt).

Die Versetzer gehen bei dem Manöver steuerbord längsseits und in voller Fahrt steigt der Lotse dann um. Glücklicherweise verfügt die Trica über Einstiege annähernd in Höhe der Wasserlinie, ich konnte auf Fahrten mit der Nübbel jedoch auch beobachten, dass der Lotse nachts 10-12 m auf einer Jakobsleiter an der Bordwand eines Bulkers emporklettern mußte. In solchen Situationen ist der Job des Lotsen nicht eben bequem.

Info: Seit 1895 sind die Lotsenbrüder dem Nord-Ostsee-Kanal (früher: Kaiser-Wilhelm-Kanal) verbunden und verrichten hier unermüdlich ihre Arbeit im Dienste der Verkehrssicherheit. Das Revier NOK I erstreckt sich von der Elbe vor Brunsbüttel bis nach Rüsterbergen (Kanalkilometer 55), Revier NOK II von dort bis in die Kieler Förde. Bereits 1325 wurden erstmals Lotsen in Lübeck erwähnt, 1761 erschien die erste bestimmte Lotsordnung. 1856 erging das erste Reglement für die Lotsen in Laboe und Bülk, und 1895 wurde die Abteilung Holtenau der kaiserlichen Lotsen gegründet. 1922 verzichteten die Lotsen auf den Beamtenstand und arbeiten fortan als bestallte Seelotsen freiberuflich unter staatlicher Aufsicht. In der Lotsenbrüderschaft NOK I sind derzeit 135 Lotsen aktiv (Quelle: pilotservices.de). Vor der Einfahrt in den Kanal (hier: bei km Null) geht der Elblotse an Bord, er bringt das Schiff sicher aus dem Strömungsgewässer der Elbe in die Schleusenkammer. Dort steigt er aus und wird durch den Lotsen der Weststrecke (Brunsbüttel bis Rüsterbergen) ersetzt, auch die Kanalsteurer steigen hier zu, wenn die Abmessungen des Schiffes 100m Länge / 15,5m Breite / 6,10m Tiefgang überschritten werden. Es sind jeweils 2 Kanalsteuerer an Bord, die sich im laufenden Betrieb abwechseln.

Die Kanalsteurer wurden bereits in der frühen Nutzungsphase des Kaiser-Wilhelm-Kanals auf Bestreben des Baumeisters Carl Loewe eingesetzt, da es in 20% der Passagen zu Havarien kam. Der Steurer übernimmt das Ruder beim Verlassen der Kanaleintrittsschleuse und gibt es an den Crew-Steuermann beim Erreichen der Kanalaustrittsschleuse wieder ab. Die Kanalsteurer sorgen noch heute, über 100 Jahre nach Inbetriebnahme des Kanals für Verkehrssicherheit im heimischen Revier. Der Berufsstand des Kanalsteurers ist in Deutschland einmalig und nur im NOK anzutreffen.

Auf unserer Kanalfahrt passierten wir dann um 18:15h ohne Gegenverkehr die Weiche Schülp und steuerten Rendsburg an, wo wir um 18:35h an der Eisenbahnhochbrücke von Schiffsfreunden und dem Schiffsbegrüßer freundlich empfangen wurden.

Info: Die Rendsburger Hochbrücke wurde in den Jahren 1911-13 von 350 Arbeitern aus 17.740 Tonnen Stahl und 3,2 Millionen Nieten unter der Leitung von Ing. Friedrich Voß errichtet. Mitsamt den Auffahrrampen ist sie 7,5 Kilometer lang, wobei der Stahlbau 2.486m mißt. Die eigentliche Hochbrücke ist 317m lang, wobei die Stützpfeiler an den Kanalufern 140m auseinander liegen. Der Bau kostete damals 3,4 Millionen Mark und wird seit gut zehn Jahren aufwändig saniert, um den modernen Verkehrs-anforderungen auch weiterhin gerecht zu werden. Die Eisenbahnhochbrücke ist ein Wahrzeichen der Stadt Rendsburg und kann in geführten Begehungen besichtigt werden. Für Technikfreunde ist die Rendsburger Hochbrücke aus mehrerlei Hinsicht interessant. Zunächst ist da das wirklich beeindruckende technische Bauwerk selbst, das nicht nur von Zügen zur Kanalquerung genutzt wird, sondern auch von Kfz, Radfahrern und Fußgängern. Unter der Brücke hängt an Stahlseilen die einhundert Jahre alte sog. Schwebefähre", eine der letzten neun weltweit erhaltenen Gewässerquerungen dieser Art. Sie verkehrt im Viertelstundentakt zwischen den Ufern des Kanals und bringt Passanten von einer auf die andere Seite. Eine Fahrt mit der Schwebefähre gehört zu den "must have" Ereignissen eines Urlaubs in der Mitte des Nordens! Sie ist neben der Oste-Schwebefähre ein Wahrzeichen der sog. "Deutschen Fährstraße" von Kiel nach Bremervörde.

Ein weiteres Highlight an der Rendsburger Hochbrücke ist die beliebte Schiffsbegrüßungsanlage am Restaurant/Café Brückentrassen, direkt unter der Brücke. Hier werden alle vorbeifahrenden Schiffe von 5 ehrenamtlichen Mitarbeitern mit der jeweiligen Nationalhymne des Heimathafens (wo das Schiff registriert ist) und Flaggenstreichung begrüßt, und die Besucher werden im witzig-freundlichen Plauderton über eine Lautsprecheranlage mit Daten und Fakten zu den Schiffen, sowie mit allerlei Döntjes und auch Seemannsgarn versorgt. Gerne erteilen die gut informierten Mitarbeiter dort Auskünfte zu den Schiffen und zum Kanal, und wer sich für Schifffahrt interessiert, kann hier durchaus einen netten und informativen Nachmittag verbringen.

Um 18:50h dann erreichten wir die Großweiche Audorf-Rade, mit über fünf Kilometern Länge die geräumigste Ausweichstelle im Nord-Ostsee-Kanal. Dort ist auch die bekannte Lürssen-Werft angesiedelt, die hochwertige Luxusyachten herstellt. Die hier gebauten und ausgestatteten Megayachten bewegen sich preislich durchaus im dreistelligen Millionenbereich und gehören bei den Shipspottern zu den begehrtesten Jagd-Objekten. Bei unserer Passage lagen gerade 2 Yachten dort am Kai, die Titania und die Ace. In der Weiche warteten auf uns JRS Alster (VG 4), Ida Rambow (VG 5) und Nordic Chantal (VG 3), die wir um 19:10h passierten, um unseren Weg nach Sehestedt fortzusetzen. Um 19:10h, als wir die Fähre in Sehestedt passiert hatten, wurde es eng. Hier beginnt der enge Teil der Oststrecke, in dem Schiffsbegegnungen mit der Trica überhaupt nicht mehr möglich sind. Der Kanalsteurer und der Lotse müssen hier besonders aufmerksam sein und das Schiff exakt in der Mitte des Fahrwasser manövrieren, um nicht durch die Sogwirkung die Böschung zu beschädigen.

19:40h: in der Weiche Königsförde erwarteten uns Aldebaran (VG 4), Marstan (VG 4) und Cimbris (VG 3), gegen 20:05h, passierten wir im schwindenden Tageslicht die Weiche Groß-Nordsee, von wo aus der Lotse die Trica per Funk bei der Schleuse anmeldete. 20:12h dann Passage der Fähre Landwehr, und um 20:30h erwarteten uns in der letzten Kanalweiche (Schwartenbeck) die Mikhail Lomonosov (VG 4) und die Barmbek (VG 5). Um 20:40h ließen wir die Levensauer Hochbrücken hinter uns und erreichten Kiel Suchsdorf. Das Ende unserer schönen Fahrt näherte sich unaufschiebbar, unsere nächste Station war der NOK Hafen und die Schleusenanlage Holtenau.

Info: Die alte Levensauer Sichelbogenbrücke von 1893 war die erste Brücke, die über den noch im Bau befindlichen Kaiser-Wilhelm-Kanal geschlagen wurde, und zwar, um die Bahn- und Wegstrecke Kiel-Eckernförde aufrecht zu erhalten. Sie ist bauähnlich mit der wenig später errichteten Grünentaler Hochbrücke und spannt sich 163m über den NOK.

In den mächtigen Pylonen der Brücke gab es zu Kaisers Zeiten Schankwirtschaft und sogar einen kleinen Bahnhof, bis in die frühen Sechziger Jahre hielt hier die Bahn. In den Widerlagern der Brücke überwintern größere Kolonien Fledermäuse, was den geplanten Abriß der Brücke bislang aus Naturschutzgründen verzögerte. Da die im Kanal übliche lichte Durchfahrthöhe von 42m bauartbedingt hier lediglich in der Mitte der Brücke erreicht wird, ist dies die engste Stelle des NOK. 1984 wurde parallel für Kfz (B 76) eine neue Brücke errichtet, ähnlich, wie es bei der "Schwesterbrücke" in Grünental gemacht wurde. Geplant ist, zwischen den Brücken eine dritte zu errichten, um die alte Brücke dann rückbauen zu können. Wenn dieses Vorhaben umgesetzt ist, stehen aus der Kaiserzeit dann nur noch die Brücken in Hochdonn und Rendsburg.

Um 20:50h erreichten wir nach der Elisabeth Russ den Kieler Nordhafen, hier lag die Vera Rambow (VG 5) vor Signal, um uns passieren zu lassen. Während die Elisabeth Russ in die große Nordkkammer einlief, wartete unser Steuermann, der inzwischen das Ruder wieder vom Kanalsteurer übernommen hatte, noch die Räumng der Südkammer ab, von dort liefen Alane Evita (VG 3) und Nordic Nadja (VG 4) in den NOK ein.

Mit dem Einlaufen und Festmachen in der Schleuse Holtenau um 21:00h war unser Besuch an Bord der Trica nach ziemlich genau 8 Stunden Fahrt beendet, Kapitän und Brückenbesatzung verabschiedeten uns herzlich und wir stiegen mit dem Lotsen und den Kanalsteurern aus. Ein letzter Blick zurück über die Schulter, und dann ging es für uns schweren Herzens auch schon wieder auf Heimatkurs.

Teil 4: EPILOG

Wenn einer eine Reise tut... Wie der geneigte Leser bemerken konnte, gab es von dieser Reise einiges zu berichten. Da waren die Lotsen, die Steurer, Kapitän, Brückenoffiziere, Mannschaft, nette Passagiere und Schau-Lustige, Schiffsbegrüßer und Schipspotter. Neben den technischen Spezifikationen des gewaltigen Schiffes mv Trica gab es eine atemberaubende Landschaft zu entdecken, und zwar aus einer Perspektive, die man nicht alle Tage hat. Eine Reise auf dem Nord-Ostsee-Kanal kann man nur jedem empfehlen, das ist ein Erlebnis, das man als Nicht-Seemann nicht so schnell wieder vergißt. Es muß ja nicht zwangsläufig eine Reise auf der Nock in 30 Metern Höhe sein, auch Ausflugschiffreedereien bieten interessante Touren z.B. auf der Adler Prinzess, der Freya oder sogar der Cap San Diego an. Der NOK-Highway für Dickschiffe führt durch wunderbar natürliches Land, er verläuft mitten durch Städte, vorbei an interessanten Bauwerken und mit einem Riesenangebot an Fotomotiven. Ich habe auf der Fahrt etwa 1.000 Fotos geschossen, von denen ich einen Teil auf der Plattform www.myholstein.de ausstelle. Ich kann nur jedem Hobbyfotografen ans Herz legen, eine solche Tour einmal zu machen.

Mein besonderer Dank gilt dem Kapitän der Trica, Arie van Walraven und seiner Crew, die uns überaus höflich und zuvorkommend an Bord der Trica beherbergt haben, ebenso der Transfennica Reederei, hier speziell Frau Herrlich-Unger in Lübeck und Herrn Hejnsbroek in Helsinki. Ebenso bedanke ich mich auch im Namen meines Kollegen Michael Teshmar bei den Lotsen des Nord-Ostsee-Kanals für ihre Bereitschaft, uns zum Schiff zu bringen und uns keine Frage unbeantwortet zu lassen. Ich gelobe auch feierlich, dass, sollte ich einmal eine Reportage von einem Kreuzfahrtschiff aus machen, ich mich etwas eleganter kleiden werde. ;-)

Teil 5: NETZEMPFEHLUNGEN

www.nok.sh – Kiel Canal Info & Bilder online

www.spliethoff.com – Schiffseigner der mv TRICA

www.transfennica.com - Liner Service Amsterdam

www.seatravel.nl – Transfennica Frachtschiffreisen

www.pilotservices.de - Lotsenbrüderschaft, NOK I

www.kielpilot.de – Lotsenbrüderschaft, NOK II

www.kanalsteurer.de – Verein Kanalsteurer e.V.

www.fewo-kanalblick.de Urlaub direkt am NOK

www.brueckenterrassen.de Schiffsbegrüßungsanlage





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